Agnan und Felesna. Kapitel 2.
Konrad Sonnengold: Agnan und
Felesna. Abenteuerfahrt zum Selbst. Spiritueller Zukunftsroman.
Erster Band des Zyklus „Viel-Eine Sonne der Liebe. Entfaltung des Göttlichen in Zeit und Raum“.
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In der Schule für Dichtkunst auf Keront liefen gerade
die Vorbereitungen für den einjährigen Kurs der Poesie, wofür sich auch
Bewerber von den Nachbarplaneten eintrugen. Unter den Bewerbern befand sich
Sona, eine Dichterin vom Planeten Pesat, die Frau von Zoran, mit dem sie zwei
Töchter hatte. Die Pesater waren ein Volk, das charakterlich im Gegensatz zu
jenem der Keronter stand. Während Erstere gefühlsbetont, so waren Letztere
verstandesbetont, die einen näher dem Seelenherz, die anderen näher dem Auge
des Lichts. Doch beide Völker waren im Durchschnitt bereits über das rein
Menschliche hinaus fortgeschritten in über dem Mental gelegene Dimensionen,
wobei die Keronter auf dem Weg zum Supramental zwar voraus, dafür aber dem Sitz
der Seele nicht so nahe waren wie die Pesater.
Sona stammte aus einem alten Geschlecht von hohem
Ansehen und spiritueller Tiefe. Sie war auf dem Land geboren und hatte ihre
Jugend der körperlichen Ertüchtigung und der Dichtkunst gewidmet. Pesat war
einer der wenigen Planeten in der Galaxie Radven, auf dem noch immer strenge
moralische Sitten herrschten, obwohl diese aufgrund des innerlichen Fortschritts
der Pesater gar nicht mehr nötig gewesen wären. Doch es handelte sich um ein
äußerst traditionsbewusstes Volk, bei dem die Einhaltung althergebrachter
Sitten und Vorstellungen zugunsten des Zusammenhalts und der Stärke der
Gemeinschaft mehr galt als der Wille und die Entfaltung des Einzelnen. Sonas
sensible künstlerische Natur zählte zu jenen still vor sich hin leidenden
Individuen, die ihre geheimen Wünsche im Interesse des Kollektivs und zum Wohle
der Familie in der äußeren Welt unterdrückten und dafür auf einer inneren Ebene
ein zweites, viel wacheres Leben führten.
Eine Leseprobe der Texte Sonas wurde nun dem Keronter
Lan, Mitglied des Auswahlrats für den Kurs der Poesie, der sich gerade zum
Training in der Kampfschule befand, geschickt. Er war selbst ein sich der Liebe
hingebender Dichter und dazu noch einer der wenigen Experten für Pesatologie
auf Keront, welchen man damit beauftragt hatte, in dem besagten Kurs zu
unterrichten und sich vor allem um die Teilnehmer von Pesat zu kümmern. Schon als Kind trat er durch seine einmalige
Art unter seinen Geschwistern hervor, weshalb seine Eltern ihm auf Anraten der
spirituellen Führer eine spezielle Ausbildung in einer Eliteschule angedeihen
ließen. Dort zählte er zu den Allerbesten, vor allem bezüglich körperlicher
Tüchtigkeit, Tapferkeit und Gewandtheit, gepaart mit einer besonderen
Konzentrationsfähigkeit, sodass man ihn gemeinsam mit ein paar Wenigen in die
tiefsten Geheimnisse der Kampfkünste einweihte. Lan war so wie Sona auf
dem Land aufgewachsen und stark mit der Natur verbunden, in der er seinen
Körper stählte und die Inspirationen für seine Gedichte fand. Er hatte einen
betont individualistischen und feinfühligen Charakter, der ihn nicht selten in
Konflikt mit den Forderungen der Gesellschaft brachte, vor allem wenn er sich
zwecks seiner Studien und Arbeiten für längere Zeit auf Pesat aufhielt. Seiner
poetischen Sensibilität stand eine flammende Leidenschaft gegenüber, die sich
in einem feurigen, kraftvollen Temperament ausdrückte, welches er wohlweislich
in der Ausübung der geliebten Kampfkünste zu kanalisieren suchte. Es war nicht
zuletzt dieses Temperament, das ihn im Umgang mit den Pesatern manchmal in
ernsthafte Gefahr brachte, besonders wenn es um ihre unzeitgemäßen Sitten und
Moralvorstellungen ging, welche ihm, der als Pesatologe zwar bestens über sie
Bescheid wusste, dennoch zuinnerst fremd waren. Tief in seiner Natur
widerstrebte sich etwas, dem Joch solch unerbittlicher Sittengesetze sich
freiwillig zu unterwerfen.
Als nun zwei Boten des
Auswahlrates bei der Kampfschule vorbeikamen, um Lan die Leseprobe der Texte
Sonas zu überreichen, war dieser mitten in einem Trainingskampf mit dem Besten
aller Schüler, seinem Freund Lajise. Dieses freundschaftliche Kräftemessen fand
bewusst auf mehreren Ebenen gleichzeitig statt. Nicht nur körperlich, sondern
auch vital und mental wurden Griffe angewandt, Würfe ausgeführt, Schläge und
Tritte ausgeteilt und der Gegner am Boden festgehalten, gehebelt und gewürgt.
Letztendlich zählte das Resultat auf der materiellen Ebene, das jedoch bereits
auf den feinstofflicheren Ebenen vorbereitet und vorentschieden wurde. Lan
gelangen einige gute Attacken gegen Lajise, welcher aber im Gesamten die
Oberhand behielt, obwohl Lan in der vitalen Dimension siegreich war. Die beiden
Boten hatten es eilig, und weil sie das Ringen nicht unterbrechen wollten,
übermittelten sie die Probetexte Sonas auf telepathischem Wege dem ganz in der
Energie des Wettkampfes aufgehenden Lan, der die Gedankenbotschaft im Schwunge
des Gefechts zwar nicht unmittelbar wahrnahm, sie jedoch später in seinem
mentalen Speicher vorfinden sollte. Nach dem Training, im Zustand der
erschöpften Entspannung, vollzog Lan eine einstündige Sonnenmeditation, die ihn
auf sein innerstes Wesen zurückbrachte und mit der erkenntnisreichen Frage, vor
wem sich das Selbst beugen sollte, entließ. Sein Standpunkt gegenüber dem Leben
hatte sich radikal verändert: Er sah die Lebewesen und Dinge nicht mehr
außerhalb von sich, sondern innerhalb seines Selbst. Es gab kein Außen mehr, nur
ein Innen, und das sogenannte Außen war höchstens ein Spiegel des Innen. Er war
das Selbst, so wie alle anderen das Selbst waren. Alle und alles waren in ihm.
Er war es, der alles tat und geschehen ließ. Und in diesem erhöhten
Bewusstseinszustand entdeckte er in seinem Gedankenspeicher Sonas Texte, deren
Essenz er sogleich erfasste, als er sich ihrer mächtigen Wirkung widerstandslos
hingab. In einer wunderbaren Unmittelbarkeit wurde er sich ihrer beider inneren
Seelenverwandtschaft bewusst.
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