Die Feindlichen Wesen

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In ihrem involutionären Herabkommen beginnt die Falschheit im Mental; in ihrem evolutionären Aufstieg beginnt die bewusste Falschheit mit den Anfängen eines noch mit dem Leben verflochtenen Mentals. In einer evolutionären Welt ohne feindliche Kräfte gäbe es zwar noch die Unwissenheit, nicht aber die Verderbtheit in der Unwissenheit.

Die Söhne der Finsternis und Zertrennung sind die Herren des Todes und des Leidens, Wesen von ignorantem Egoismus, die sich der göttlichen Absicht und der spirituellen Evolution des Menschen entgegenstellen. Sie sind die Erschaffer der Falschheit, Lüge und Täuschung in einer Welt der Unwissenheit und rebellieren gegen die Wahrheit, das Licht, das Göttliche und das göttliche Werk. Sie sind dunkle feindliche Wesen, Mächte oder Kräfte, die ihr entstelltes Bewusstsein als das wahre Wissen ausgeben.

Die Feindlichen Wesen sind typengebundene Mächte, die ein eigenes kosmisches Feld, einen eigenen Herrschaftsbereich haben. Die Formen, die sie annehmen, sind manchmal pseudogöttliche Formen und verkörpern stets die Falschheit, um die Welt zu beherrschen. Sie ändern ihren inneren Zweck, das Böse, nicht und müssen daher wie das Böse vernichtet werden. Sie werden sozusagen durch Zerstörung umgewandelt.

Es gibt drei Arten von Feindlichen Wesen: Die Asuras, die Rakshasas und die Pishachas. Die Asuras, auch Titanen genannt, sind individualisierte Wesen des vitalen Mentals oder des mentalen Vitals. Ihr Denken und Wollen funktionieren im Zeichen des Egoismus und der Unwissenheit. Sie sind bekannt für ihre Selbstkontrolle, Konzentrationskraft, egoistische Stärke, ihren Kampf und ihre Intelligenz um des Egos willen. Viele von ihnen sind äußerlich schön, und es können sogar Glanz oder Licht um sie sein.

Es gibt zwei Arten von Asuras: erstens die Vormaligen Götter, die einst göttliche Mächte gewesen sind, welche durch ihr Aufbegehren gegen den göttlichen Willen der Dunkelheit anheimgefallen sind. Sie können bekehrt werden. Ihre Wandlung ist sogar für die höchsten Ziele des Universums notwendig.

Zweitens die Gewöhnlichen Asuras, fixierte, nicht-evolutionäre Wesen, welche ein festes Prinzip der Schöpfung verkörpern, das sich weder entfaltet noch wandelt. Sie haben keine Seele, kein Seelisches Wesen, das sich in einen höheren Zustand entfaltet. Aber sie besitzen ein machtvolles Ego, ein Mental, manchmal ein hochintellektualisiertes Mental. Ihr Denken und Fühlen sind grundlegend vital und nicht mental, und sie dienen ihrem Begehren und nicht der Wahrheit.

Die Rakshasas, auch als Giganten bezeichnet, sind individualisierte Wesen des mittleren Vitals. Sie werden angetrieben von Gewalttätigkeit und Leidenschaft und stehen unter dem Einfluss von Egoismus und Unwissenheit. Sie sind abstoßend oder hässlich.

Die Pishachas, auch als Dämonen bezeichnet, sind nicht individualisierte Wesen der niederen vitalen oder physisch-vitalen Ebene. Sie werden angetrieben von niedersten und finstersten Begehren, welche zum Dämonischen und Perversen neigen. Auf der feinstofflich-physischen Ebene sind es unwissende, dunkle Kräfte, die sogenannten Elementarwesen, von denen es zwei Arten gibt. Die einen sind bösartig, die anderen nicht. Die Dämonen sind ebenfalls abstoßend oder hässlich.

Wenn ein Wesen der fixierten Welten sich entwickeln will, muss es zur Erde herabkommen, einen menschlichen Körper annehmen und an der Evolution teilnehmen. Die vitalen Wesen wollen aber diese Zustimmung nicht erteilen und versuchen daher, den Menschen zu besitzen, um die Stofflichkeit des physischen Lebens genießen zu können, ohne die Bürde der Evolution auf sich zu nehmen oder sich dem Vorgang der Wandlung zu unterziehen.

Der normale Widerstand der niederen Natur im menschlichen Wesen und das Wirken der feindlichen Wesen sind zwei völlig verschiedene Dinge. Ersteres ist etwas Naturbedingtes, jeder Yogi ist dem unterworfen; Letzteres ist ein Übergriff aus der nichtmenschlichen Welt. Daher dürfen die feindlichen Kräfte nicht mit der normalen menschlichen Schwäche verwechselt werden, welche auf das Wirken der niederen Natur der Unwissenheit zurückzuführen ist. Die niedere Natur ist unwissend und nicht göttlich, aber nicht in sich selbst feindlich, sondern dem Licht und der Wahrheit verschlossen. Die feindlichen Mächte sind nicht nur nicht göttlich, sondern auch antigöttlich. Sie benützen die niedere Natur für ihre Interessen, pervertieren sie und füllen sie mit verzerrten Bewegungen, wodurch sie die Menschen zu beeinflussen und völlig zu kontrollieren versuchen. Sie streiten mit den Göttern um die Herrschaft über das menschliche Dasein, den menschlichen Charakter und die menschliche Tat. Manchmal ergreifen sie von den Menschen Besitz, um durch sie zu wirken. Manchmal werden sie auch mit einem menschlichen Körper geboren.

Der Übergriff von Seiten der Feindlichen Wesen kann zwei Formen annehmen: erstens benutzen sie die Kräfte der niederen Natur, üben einen Druck auf sie aus und veranlassen sie, dort Widerstand zu leisten, wo sie sich sonst ruhig verhalten hätten, oder lassen den Widerstand heftig werden, wo er andernfalls leicht und unbedeutend gewesen wäre, oder steigern seine Heftigkeit noch, wenn er bereits heftig ist.

Zweitens fallen die Feindlichen Wesen manchmal mit ihren eigenen Kräften ein. Wenn das geschieht, tritt oft eine zeitweilige Besessenheit auf oder es findet zumindest eine unwiderstehliche Beeinflussung statt, welche die Gedanken, Gefühle und Taten des betreffenden Menschen abnorm werden lässt.  Es handelt sich dabei um eine schwarze Umwölkung des Gehirns, einen Wirbel im Vital, die auf eine Weise wirken, als hätte der Betreffende die Macht über sich verloren und würde von einer zwingenden Kraft getrieben. Oder es besteht nur eine starke Einwirkung, sodass die Symptome nicht so deutlich sind. Oder es handelt sich nur um eine Attacke, der die Person widersteht.

Das Wirken der feindlichen Mächte ist eine spezielle Intervention mittels Schaffung von gewaltsamen inneren Konflikten, abnormalen Depressionen, Gedanken und Impulsen in Form von Suggestionen wie z. B. Verlassen des Ashrams, Aufgeben des Yoga, Revolte gegen das Göttliche, Angst vor Katastrophen, unwiderstehliche und irrationale Impulse usw..

Die Feindlichen Wesen sind nur der yogischen Erfahrung zugänglich. Man braucht sich mit ihnen nicht zu befassen, solange sie unerkannt bleiben. Solange man im gewöhnlichen Mental mit seinen Ideen und Wahrnehmungen lebt, können diese Dinge nicht gefühlt oder verstanden werden. Denn dort gibt es nur zwei erkennbare Kategorien von Einflüssen: einerseits die eigenen Ideen, Gefühle und Taten sowie die der anderen; andererseits die Einwirkung der Umgebung und der physischen Kräfte. Nach dem Beginn der inneren Anschauung der Dinge wird auf der vitalen Ebene alles zu einem Wirken von bewussten Kräften der Prakriti, welche mit der menschlichen Natur spielen und Teile von ihr gebrauchen. Auf der mentalen Ebene manifestieren sich die feindlichen Kräfte höchstens als mentale Suggestionen, nicht aber als konkrete Mächte.

Der Zweck, dem die Feindlichen Wesen in der Welt dienen, besteht darin, den Möglichkeiten des Unbewussten und der Unwissenheit eine volle Chance zu geben. Denn die Welt ist dazu bestimmt, dass diese Möglichkeiten mit der supramentalen Harmonisierung als möglichem Ergebnis ausgearbeitet werden. Die yogische Arbeit muss sich mit dem Weltproblem auseinandersetzen und sich dem Konflikt mit dem Wirken der feindlichen Kräfte im menschlichen Wesen stellen. Die Welt wird augenscheinlich von den dunklen Mächten beherrscht. Wir müssen es nehmen, wie es ist, und versuchen zu siegen. Die spirituelle Erfahrung zeigt, dass sich im Hintergrund von all dem ein weiter Bereich des Gleichmuts, des Friedens, der Ruhe und der Freiheit befindet. Wenn wir in diesen eintreten, können wir ein erkennendes Sehen erreichen und darauf hoffen, die siegende Macht zu erlangen.

Der Kontakt mit der Welt und den Feindlichen Wesen ist eine der Hauptschwierigkeiten des Sadhaks/Yogis. Doch die Welt und die Feindlichen Wesen umzuwandeln, wäre eine zu große Aufgabe, und die persönliche Umwandlung kann darauf nicht warten. Man hat zu lernen, in der göttlichen Macht zu leben, sodass diese Dinge, diese beunruhigenden Elemente nicht eindringen können, oder aber, wenn sie eindringen, nicht zu stören vermögen. Man hat weiterhin zu lernen, durch diese Macht derart geläutert und gestärkt zu sein, dass keine Reaktion mehr auf etwas Feindliches in einem stattfindet. Wenn die innere, läuternde Herabkunft kommt und als deren Ergebnis eine Festigung des höheren Bewusstseins im inneren Wesen, und wenn dieses schließlich selbst in den ganz äußeren, tätigen Teilen das alte unwissende Bewusstsein ersetzt, dann zählen die Welt und die feindlichen Kräfte nicht länger – zumindest nicht für die eigene Seele. Es bleibt noch die größere Arbeit der nicht persönlichen Art, in der man sich natürlich noch mit ihnen auseinandersetzen muss.

Es ist eine allen Yogis und Mystikern auf der ganzen Welt bekannte Tatsache, dass, wo immer Yoga ausgeübt wird, sich die feindlichen Wesen sammeln, um ihn unter allen Umständen zu unterbinden. Es ist bekannt, dass es eine niedrigere Natur und eine höhere, spirituelle Natur gibt. Es ist bekannt, dass beide nach verschiedenen Richtungen ziehen und dass zuerst die niedrigere und dann die höhere stärker ist. Es ist bekannt, dass sich die feindlichen Kräfte die Bewegungen der niedrigeren Natur zunutze machen und durch sie die spirituellen Fähigkeiten zu zerstören oder zu verzögern suchen. Doch ist es ebenso seit alters her bekannt, dass jene, die im Herzen aufrichtig und ehrlich sind und so bleiben, sowie jene, die trotz aller Schwierigkeiten, Fehltritte oder Stürze auf das Göttliche bauen, am Ziel anlangen werden. Sich der Hilfe der Göttlichen Mutter immer bewusst zu sein, ist der beste Schutz gegen alle Angriffe, ob von feindlichen Mächten oder der eigenen niederen Natur.

Die Feindlichen Wesen haben eine bestimmte selbstgewählte Aufgabe: sie besteht darin, den Zustand des Einzelwesens, der Arbeit, der Erde selbst und ihre Bereitschaft für die spirituelle Herabkunft und Erfüllung zu prüfen. Bei jedem Schritt der spirituellen Reise greifen sie voller Ungestüm an, kritisieren und beeinflussen dich, lassen dich verzagen oder stacheln zu Empörung auf, erwecken Unglauben und häufen Schwierigkeiten an. Aber dieser Widerstand wird seit jeher geduldet, nicht nur als Test oder Bewährungsprobe, sondern auch als ein uns auferlegter Zwang, eine größere Stärke zu suchen, eine vollkommenere Selbsterkenntnis, eine intensivere Reinheit und Kraft des Strebens, einen Glauben, den nichts erschüttern kann, eine machtvollere Herabkunft der göttlichen Gnade.

Die Feindlichen Wesen sind pragmatisch und wollen nur Erfolg. Sie nützen die Unbewusstheit der Menschen, die ihnen eine Chance gibt. Sie haben in einer Welt der Unwissenheit leichtes Spiel: sie brauchen die Menschen nur überreden, dem vorhandenen Hang ihrer niederen Natur zu folgen, während das Göttliche immer zur Wandlung der Natur aufruft. Der Asura hat also eine leichtere Aufgabe und einen spontaneren Erfolg. Dieser zeitweilige Erfolg ist aber für die Zukunft nicht bindend.

 

 

 

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